Von der Gruppe zum Individuum

Individuum alleine an Bushaltestelle in der Nacht

Im letzten Blogbeitrag habe ich über Mehrwert in unserer Gesellschaft gesprochen.

Mein lieber Mitbewohner, Grüße an dich an dieser Stelle, hatte mich dann darauf aufmerksam gemacht, dass die Entwicklung der Nutzung von beispielsweise Kulturgütern auch etwas mit der Veränderung der sozialen Dynamiken zu tun hat.

Besonders wichtig hierbei ist die Veränderung von der Gruppe hin zum Individuum.

Gesellschaft: Wir sind eins

Früher wollte, musste man sogar, Teil der Gruppe sein. Man war gerne wie die anderen, denn je ähnlicher wir uns sind, desto mehr mögen wir uns, bilden wir eine stärkere Gemeinschaft und stärken wir das Zugehörigkeitsgefühl. Und je nachdem zu welcher Gruppe wir gehören, können wir eben manche Dinge tun und manche nicht.

Beispielsweise weil sie uns vielleicht von einer anderen Gruppe verboten werden oder weil meine Gruppe mich in meinen Taten unterstützt.

Versteht mich jetzt nicht falsch, mit „Gruppe“ kann auch ein ganzes Dorf gemeint sein. Oder eine höhere Bildungsschicht, etc.

Um nun zurück zu den Kulturgütern zu kommen: Im letzten Blogbeitrag sprach ich davon, dass wir beispielsweise heutzutage nicht mehr so viel lesen wie früher. Neben den offensichtlichen Gründen, wie der Existenz des Fernsehen, gibt es noch weniger offensichtliche.

Beispielsweise hat man früher auch deshalb mehr gelesen: weil es alle taten. Wenn man dann dieses oder jenes Buch nicht gelesen hatte, war man Außenseiter. Und das ging früher gar nicht. Ich denke nicht, dass das Nicht-lesen eines Buches damals gleich zum sozialen Tod einer Person führte. Möglich wäre aber der Ausschluss aus einer bestimmten Gruppe aus diesem Grund.

Frei nach dem Mott:

Welch frevelhafter Lümmel wagt es, einfachen Schund zu lesen und sich nicht an den Literaten unserer Zeit zu ergötzen und sich ihren Schriften hinzugeben?! Mit einem Kulturbanausen solchen Maßes möchte ich nichts zu tun haben!

Quasi zur Kultur gezwungen oder auch durch den Gruppenzwang bedingt, beschäftigte man sich eben mit diesen Kulturgütern. Nicht zwangsweise weil man wollte, sondern weil es gewollt war.

Die Gruppen von früher bedeuteten aber noch viel mehr. Der Ausschluss aus einer Gruppe war nicht nur eine Auschluss unter Freunden, es konnte ein tiefer Einschnitt in das Leben des „Betroffenen“ sein. Gegebenenfalls galt er/sie dann sogar als verstoßen und musste die Heimat verlassen, da ein Leben in diesem Umfeld unmöglich geworden war.

Wir sind viele

Verschiedene Kabel und Stecker bilden ein Netzwerk

Das ist heute zum Glück nicht mehr der Fall. Dennoch hat die Gruppe nicht an Wichtigkeit verloren, oder?

Natürlich gibt es immer noch den Drang zur Gruppe zu gehören. Allerdings kann diese Gruppe heutzutage überall sein. Das Internet macht es uns möglich über große Distanzen hinweg eine Gruppe oder ein Netzwerk Gleichgesinnter aufzubauen. Es lassen sich zusätzlich, neben Gedanken, auch Gefühle (durch Ton, Bild, Video) teilen, welche die Gruppe sehr real werden lassen.

Und genau dafür werden die entstandenen Netzwerke auch meistens benutzt. Um Gefühle und Gedanken auszutauschen und nicht mehr, um sich das Leben durch Beziehungen so bequem wie möglich zu machen. Natürlich ist das auch eine Möglichkeit seine Netzwerke zu benutzen, allerdings ist das eher selten das Hauptmotiv eines Einzelnen.

Wir müssen heutzutage also nicht mehr das tun, was alle machen, müssen nicht im Mainstream schwimmen und können das lesen, worauf wir Lust haben. Es ist sogar möglich gar nicht lesen oder natürlich das zu lesen, was alle lesen.

Wir haben viel mehr individuelle Möglichkeiten uns mit uns selbst zu beschäftigen. Und es ist zudem gesellschaftlich akzeptiert, dass du drei Staffeln deiner Lieblingsserie Binge-watchst. Kein Thema, du musst ja auch nicht mit deinen Mitmenschen kommunizieren. Und falls du doch das Bedürfnis hast, mal jemanden kennenzulernen, der sich ebenfalls so einen krassen Serienmarathon gönnt, dann findest du ihn sicherlich irgendwo auf der Welt.

Denn es ist ganz gleich was wir machen. Irgendwo auf der Welt wird es jemanden geben, der es uns gleichtut. Wir müssen diesen Jemand nur finden und uns mit ihm/ihr verbinden. Und wer weiß? Vielleicht gibt es ja doch noch viel mehr Menschen, die das gleiche tun wie wir? Und dann entsteht, wie von ganz allein, ein großes Neztwerk von Menschen mit einer Gemeinsamkeit.

Ich bin ich und ich bin wir

Laptop neben Handy mit einem Netzwerk für Gruppen geöffnet

Interessanterweise inszenieren wir uns immer häufiger über das Internet als einzigartig. Beinahe jeder Instagram user platziert sich gegenüber seinen Followern als ach so unikat. Man hat ganz bestimmte Merkmale und Eigenschaften und genau aus diesem Grund sollte man dir folgen, nicht wahr?

Man muss bei allen Leuten aus seinem Netzwerk oder seiner Gruppe immer der/die Erste sein, der/die etwas erlebt, entdeckt, probiert, macht. Ein regelrechter Sturm auf Trends ist somit entstanden.

Es stimmt natürlich, dass wir einzigartig sind, das steht außer Frage und dafür bedarf es auch keines Sozialennetzwerks wie Instagram.

Interessant, fast schon grotesk, ist doch aber der Versuch, über seine eigene Einzigartigkeit eine Gruppe aufzubauen. Das klingt doch eigentlich nach einem unmöglichen Unterfangen, oder?

Und trotzdem funktioniert es. Vielleicht auch deshalb, weil wir meistens nur durch die Kombination von unseren Merkmalen und Eigenschaften erst Einzigartig werden. Unsere Follower picken sich natürlich nur die raus, die auch auf sie zutreffen. Somit fällt es uns leichter, sich mental mit der Person, die sich inszeniert, zu verbinden.

Also was jetzt? Individuum oder Gruppe?

Meine Einschätzung ist jetzt die, dass man sich nach außen hin sehr stark als Individuum zeigt. Man möchte herausstechen und nicht das tun, was alle machen, beziehungsweise uns ist egal was andere machen, wir machen, nach was es uns beliebt.

Ebenso existieren heutzutage (früher auch, allerdings weniger Abwechslungsmöglichkeiten) auch etliche Möglichkeiten, wie wir uns ganz ohne Gruppe beschäftigen können. Zur Beschäftigung ist diese also nicht nötig.

Erloschen ist der Drang zur Gruppe allerdings nicht. Wir möchten nach wie vor zu einer Gruppe gehören. Ob diese nun real vor Ort oder zunächst nur digital existiert, ist vorerst nicht von Relevanz. Bevorzugt werden dabei stets reale Gruppen, aber aus digitalen können diese ja auch entstehen. Wichtig ist die Zugehörigkeit zu etwas und die Möglichkeit des Austauschs.

Es geht hierbei auch viel mehr um die eigenen Werte und Emotionen und nicht mehr den sozialen Stand, der durch die Gruppe symbolisiert wird.

Deshalb sind digitale Gruppen auch erst möglich, denn durch das Internet ist es nicht mehr ohne weiteres ersichtlich zu welcher Gruppe eine Person gehört.

Für einige Personengruppen, die ihr Äußeres auffällig in Szene setzen, trifft dies natürlich nicht zu.


Was meint ihr:

Hat sich die Gesellschaft von der Gruppe zum Individuum entwickelt?

Schreibts mir mal in die Kommentare!

Ich freu mich drauf!

Bis dahin vielen Dank fürs Lesen und

bleibt auf Umwegen!

P.S.: Wir sind auch ein Netzwerk! Ein Netzwerk von treuen Lesern! :*

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Von UMWEGN

Seit 2016 schreibe ich nun auf UMWEGN. Das alles startete in Begleitung zu meinem Buch und mehr als ein Experiment. Mittlerweile möchte ich das Buch, den Blog oder den Podcast nicht mehr missen. Auf UMWEGN geht es um Gesellschaft, Kommunikation, Selbstentwicklung und hin und wieder um philosophisches. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

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