Die Sucht nach dem Verfügbaren

Sucht nach Verfügbarem
Photo by Mishal Ibrahim

Wir Menschen sind ziemlich einfach gestrickt: Wenn etwas da ist, nehmen wir es uns.

So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Es ist an dieser Stelle auch irgendwie ein bisschen schwer, das als etwas schlechtes anzusehen.

Stellen wir uns mal vor, du kommst mich besuchen. Ich reiße eine Packung Chips auf und bring dir etwas zu trinken. Im Laufe deines Besuchs wirst du dann irgendwann bei den Chips zugreifen.

Das zweite und dritte Szenario verlaufen ganz ähnlich: Wenn du auf einer Messe an einem Stand vorbei gehst, dann greifst du nach dem Werbe-Kugelschreiber und wenn deine Freunde auf deinem Laptop in ihrem Netflix eingeloggt bleiben, schaust du mit ihrem Account weiter.

In diesen Situationen sind du und ich einfach ein bisschen opportunistisch.

Kein Thema, bis es zu viel wird

Wie so oft auf meinem Blog ist es auch hier wichtig, die Balance zu halten. Bzw. den Unterschied zu machen, zwischen: Ich greif zu weil etwas da ist und ich schaffe die Verfügbarkeit, damit ich mir einreden kann, nur zuzugreifen, weil es da ist.

Verstehst du was ich meine?

Zurück zum Beispiel: Ich biete dir also Chips an, wenn du zum Chillen bei mir vorbeikommst. Alles easy du isst ein paar, vielleicht vernichten wir sogar die gesamte Packung gemeinsam. Gar kein Problem dafür sind sie ja da.

Mal angenommen du willst aber deinen Chips-Konsum – bspw weil du einen krassen Beachbody für den Sommer haben möchtest – niedrig halten. Dann magst du bei unserem gemeinsamen Abend vielleicht die Ausnahme machen, „weil das dazu gehört“ oder weshalb auch sonst. Ist in Ordnung, soweit kein Problem.

Wenn du dann aber am nächsten Tag bei deinem wöchentlichen Einkauf, mal auf „Reserve“ 2-3 Packungen Chips kaufst, es könnte ja jemand spontan vorbeikomen, dann hast du dich und dein Vorhaben bereits selbst sabotiert.

Denn ganz nüchtern betrachtet ist es so immer einfacher, in einem Moment der Schwäche, doch die „Reserve“-Packung aus dem Schrank zu holen und aufzureißen.

Es gehört an dieser Stelle eine ungeheure Disziplin dazu, es nicht zu tun. Kein Mensch den ich kenne, kann immer so diszipliniert sein und darauf verzichten. Das macht uns schließlich auch menschlich.

Aber ist das jetz so ein großes Problem?

Ja das ist es immer dann, wenn es, wie erwähnt, ungesunde Maße annimmt.

Menschen sind Spielsüchtig, Alkoholkrank, Drogenabhängig, Shoppingsüchtig, Pornosüchtig oder haben bspw. ungesunde Essgewohnheiten, auch weil es SO EINFACH ist, diesen ganzen Süchten nachzukommen.

Alles ist immer überall verfügbar!

Wie soll man denn dann noch nein sagen?

Es ist schwierig.

Ich selbst seh mich da zeitweise auch in großer Gefahr in einige dieser Dinge abzurutschen. Aber es gibt eine einfache Lösung:

Die Verfügbarkeit reduzieren.

Wenn ich keinen Wein da habe, dann kann ich spontan keinen aufmachen und trinken. Es ist eine viel bewusstere Entscheidung Wein zu kaufen und ist auch mit mehr Planung verbunden.

Gleiches gilt für Junk-Food, Snacks und Süßigkeiten oder gar jedes andere Ding:

Keine Kippen: Nicht rauchen.
Keine Gummibärchen: Weniger Zucker.
Kein Gaming-PC: Kein Zocken.
Kein Kaffee: Weniger Koffein.

Klar funktioniert das nicht mit allen und mit jeder Sache, aber bei vielen Dingen ist es leichter als gedacht. Da reden wir uns meist selbst ein, dass es doch „ach so schwer“ wäre.

An dieser Stelle nochmal die Betonung: Es ist nicht alles schlecht, was ich hier als Beispiel aufzähle, das sind nur die Dinge die mir gerade eingefallen sind. 😇

Dankbar und verängstig

fühle ich mich von dieser krassen Verfügbarkeit. Es ist immer wieder unfassbar, was wir alles (konsumieren) können in unserem privilegierten Leben. Schier grenzenlose Möglichkeiten stehen uns täglich offen und dafür bin ich zunächst dankbar.

Auf der anderen Seite ist es gleichermaßen erschreckend, was das alles mit uns macht. Vor allem ohne, dass wir es merken.

Ich hoffe am Ende dieses Blogbeitrags, dass du gut diese Gewässer gefüllt mit unzähligen Dingen der Versuchung navigieren kannst und nur ab und zu den Sirenenschreien, bzw. nur denen, die du auch tatsächlich brauchst, nachgibst.


Vielen Dank fürs Lesen und schreib mir gerne deine Meinung dazu in die Kommentare und natürlich

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Von UMWEGN

Seit 2016 schreibe ich nun auf UMWEGN. Das alles startete in Begleitung zu meinem Buch und mehr als ein Experiment. Mittlerweile möchte ich das Buch, den Blog oder den Podcast nicht mehr missen. Auf UMWEGN geht es um Gesellschaft, Kommunikation, Selbstentwicklung und hin und wieder um philosophisches. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

Ein Kommentar

  1. Lieber Lorenzo,
    es ist, wie bei allem, die Dosis macht das Gift. Warum sollte ich nicht mal eine Flasche Wein und 3 Tüten Chips auf Vorrat kaufen- damit kann ich mir einen super gemütlichen Abend machen – genießen und sich freuen.
    Kein Mensch verhält sich zu jeder Zeit rational.
    Bei einem Discounter stehen ca. 2000 Produkte, in einem Supermarkt mehr als 12 000 Artikel, die sind für uns alle verfügbar. Ich kaufe das meiste trotzdem nicht, weil ich vieles mit meiner Einstellung, meinem Wissen über gesunde Ernährung, Wissen über Schadstoffe etc. nicht vereinbaren kann.
    Also kommt es auf die Einstellung und deine Überzeugungen an.
    Während Corona und manchmal auch jetzt sind nicht immer alle Artikel verfügbar- das ist neu. Und trotz Gewohnheit ist das überhaupt kein Problem auf einen Ersatzartikel oder eine andere Marke auszuweichen- mal flexibel zu sein.
    Doch du hast natürlich recht- wir haben eine enorme Produktvielfalt.
    Die Verfügbarkeit lässt sich da nicht ohne weiteres reduzieren.
    Deine eigene Auswahl kannst du beschränken- und das fängt natürlich bewusst im Kopf an.

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