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Passend zum Einstieg in das Thema Tourismus und Fotografie habe ich vor einiger Zeit einen Mann im Zug überhört, der zu seinen Mitreisenden Folgendes sagte:
„People have too much money. They travel all over the place and I’m not talking about Malaysia. I’m talking about Naples.“
Was er genau mit dieser geografischen Eingrenzung meinte, kann ich hier nicht sagen. Wahrscheinlich, dass Neapel teurer ist als Malaysia.
Interessant finde ich allerdings seine Ansicht, dass die Leute zu viel Geld haben.
Zu viel Geld.
Ein Zustand, den man nur von Reichen und Erfolgreichen kennt, der aber für den Durchschnittsbürger unerreichbar scheint.
Zu viel Geld.
Damit ist es nicht getan. Dieser Mann behauptet, dass die Menschen zu viel Geld haben und es nur zum Reisen ausgeben würden.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Menschen nicht reicher sind als sonst auch. Allerdings könnten sich die Prioritäten etwas verschoben haben. Vom Materialismus hinweg zu der Erkenntnis, dass Erfahrungen und Erlebnisse mehr wert sind als Gegenstände.
Gleichzeitig suggeriert seine Aussage, dass wir unser Geld lieber für Güter ausgeben sollten. Aber ist Reisen neicht ein erstrebenswertere Verschleuderung des eigenen Geldes, als Güter zu konsumieren?
Vielleicht hat sich ebenso, wie die Industrie, die Nachfrage von Gütern zu Dienstleistungen verschoben?
Ob das nun auch tatsächlich der Fall ist, kann ich an dieser Stelle nicht sagen. Ich weiß nur, dass, obwohl es ein immer größeres Interesse am Reisen gibt, Flüge immer billiger werden und man hier und dort gewesen sein muss. Es zählt quasi bereits zur Allgmeinbildung. Doch damit nicht genug: Es bedeutet gleichzeitig auch, dass man eine gute Kamera besitzen muss, um „Beweisfotos“ schießen zu können.
Das bringt mich zur nächsten Frage.
Urlaubsfotos: Eine Notwendigkeit?
Durch einige meiner Reisen – an dieser Stelle oute ich mich selbst als „Travel-Lisa“ – habe ich schon so einige Geschichten mit meinen Mitreisenden erlebt, die vielleicht erwähnenswert wären, allerdings ist mir eines immer wieder begegnet.
Der ungebremste Fotohunger von Tourist:innen.
Heutzutage meint ein/e jede/r, die/der sich eine Spiegelreflexkamera leisten kann, sich Fotograf:in nennen zu dürfen. Habe ich es doch auch nur zu gut miterlebt, wie viele Menschen in meinem Alter eine „Photography Page“ auf Facebook erstellten und damit begannen ihre Freund:innen abzulichten und diese Bilder als eine Art „Referenz“ online zu stellen.
Doch in Wahrheit verschandeln diese Menschen nur die Kunst einen Moment in einer Fotografie einzufangen.
Es sind aber nicht nur die kleinen Pseudofotograf:innen, sondern auch die Touristengruppen, die eher einer Horde Paparazzi gleichen, als einer Gruppe Menschen, die sich für einen Ort wahrlich interessieren.
Natürlich liebe ich es auch Urlaubsfotos oder generell Fotos zu machen. Aber ich empfinde es als viel wichtiger einige wenige gute Fotografien zu machen, anstelle von Abertausenden beinahe gleichen von genau einem Motiv. Ich möchte hier keinesfalls meine Fotografiekünste loben, es gibt etliche bessere Fotografen als mich selbst.
Interessanterweise werden Klischee-Tourist:innen auch immer häufiger mit „dicken Kameras“ in Verbindung gebracht. Eventuell liegt dieses Merkmal sogar gleichauf mit Socken in Sandalen oder einem sogenannten „Selfie-Stick“.
Fokus
Hach, ein kleiner Fotografiewitz musste einfach mit rein!
Angeblich können wir uns besser an den Ort oder den Moment erinnern, wenn wir weniger Urlaubsfotos machen. Da wir dann mit unserem Kopf und all seinen Sinnen den Moment einfangen und nicht die Hälfte unseres Gehirns schon bei den irrwitzig vielen Einstellungen der Kamera hängt. Der Fokus liegt somit genau auf dem Motiv und nicht an dem Gerät in unseren Händen.
Erscheint es dir nicht auch paradox, dass genau das, was uns helfen soll uns zu erinnern, eben dieses verhindert?
Mit der Digitalisierung der Fotografie ist das “lass uns noch (schnell) ein Foto machen” von einem einzigen, einfachen Klick-Geräusch zu einer komplexen Kakophonie aus Tastentönen, dem Autofokusmechanismus und dem maschinengewehrartigen Klicken des Spiegels in der Kamera mutiert und glaub mir:
Es ist eine schrecklich hässliche Symphonie.
Damals, als man die Kosten für ein schlecht aufgenommenes Urlaubsfoto noch mit ganzen Zahlen ausrechnen konnte (anhand des Preises für den Film und für das Entwickeln der Bilder), überlegte man sich zweimal, ob man nun wirklich noch ein Bild von der ein oder anderen Sehenswürdigkeit macht. Beziehungsweise achtete man mehr darauf, dass die Fotos gut aufgenommen sind und nicht als Schnappschuss zufällig das Motiv richtig getroffen wurde.
Ja, Fotos entwickeln lässt man auch nicht mehr. Mit den ganzen Fotos die geschossen werden, würden wir auch an der schieren Masse an Kosten und Material ersticken. Viel zu viele von uns haben beispielsweise tausende Fotos auf dem Handy. Wo sollen die alle hin? Wie wäre es mal mit Ausmisten? Gut, meist lässt dort auch die Qualität zu wünschen übrig, sodass es sich kaum lohnt, die Bilder auszudrucken. Am Ende muss wohl doch der gute alte Handy-Bildschirm herhalten.
Aber sei mal ehrlich mit dir selbst: Wie oft guckst du dir deine alten Urlaubsfotos an?
Ich tu das fast nie.
Sind ja auch meist viel zu viele und nur wenige transportieren den Moment, den man damals kläglich versuchte einzufangen.
Urlaubsfotos: Qualität vor Quantität
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Digitalisierung die Kunst ‚Fotografie‘ vergewaltigt hat.
Ich meine, brauchen wir wirklich 40 Bilder vom Eiffel Turm, wenn es doch schon Millionen, welche nebenbei meist deutlich besser als die eignen sind, im Internet gibt?
Anscheinend schon.
Sonst glaubt man uns ja womöglich nicht, dass wir wirklich an diesem oder jenem Ort waren. Aber, um das zu beweisen haben wir uns ja schon solche Rafinessen, wie Geotags oder Snapchat und Instagram ausgedacht, wo man sobald man ein „gutes“ Foto aufgenommen hat, es gleich allen möglichen Menschen zeigen kann, um damit angeben zu können.
Aber kann man dem zu Zeiten von Photoshop überhaupt noch glauben?
Ich bin der Ansicht, dass die besten Urlaubsfotos sowieso abseits von dem ganzen Trubel um eine Sehenswürdigkeiten geschossen werden. Eben nicht an den Orten, an welchen schon Millionen andere Menschen das exakt selbe Bild geschossen haben.
Nächstes mal wenn du dich in der Nähe einer Sehenswürdigkeit wiederfindest, schau dich doch einfach mal um. Du wirst bemerken, wie viele Menschen ein und dasselbe Foto schießen und pseudoprofessionell an allen Rädchen und Knöpfchen drehen und drücken, ohne die Hälfte davon überhaupt zu verstehen und, wie sie langsam zu schwarzäugigen Zyklopen mutieren, die vor lauter Motivgeilheit die Kamera gar nicht mehr herunternehmen.
Und vielleicht wirst du deine eigene Kamera mal runter nehmen und diese Sehenswürdigkeit genauer betrachten und sie somit besser in Erinnerung behalten.
Ich glaube dir schon, dass du wirklich dort warst. Ich brauch kein Beweisfoto! 😉
Und damit: Vielen Dank fürs Lesen und
bleibt auf Umwegn!
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