Manchmal fühle ich mich, als wäre ich ganz schön außer Puste. Dabei laufe ich nicht mal. Ja, ich mag es eigentlich ganz und gar nicht joggen zu gehen, deshalb tue ich das grundsätzlich äußerst selten. Aber dennoch fühle ich mich manchmal, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Und dann frage ich mich:
Hey, befindest du dich im Wettlauf?
Aber, was für ein Wettlauf soll das sein? Um was geht es und gegen wen trete ich überhaupt an?
Der unbewusste Wettlauf
Bis ich völlig perplex irgendwann drauf komme: Natürlich! Wie könnte es anders sein? Ich bin im Wettlauf mit der Zeit. Warum bin ich da nicht früher drauf gekommen?
Meine Gegner sind alle, die ungefähr das selbe Alter wie ich haben. Manch etwas jünger, manche etwas älter. Vielleicht können wir diese Gruppe unter dem Begriff „Generation“ zusammenfassen?
Aber warum sind wir überhaupt in diesem Wettlauf? Es scheint mir, als sei niemand freiwillig hier. Aber alle SIND hier. Es kann also nur Zwang sein. Zwang, der von irgendeiner höheren Macht ausgehen muss. Doch welche ist das?
Fast Track Bildung
Ganz konkret spreche ich hier über unseren Ausbildungsturbo G8 und der anschließenden Hochschulbildung. Mal ehrlich, alles was von den Schüler:innen und uns Student:innen noch gefordert wird ist Leistung, Leistung, Leistung.
Doch wozu das Ganze? Ist es wirklich so dramatisch, wenn wir mal eine Klasse wiederholen? Ist es so dramatisch, wenn wir mal eine schlechte Note schreiben?
Nein.
Trotzdem leben wir in einer Welt, in welcher jeder meint, dass schlechte Noten oder eine extra Runde in der Schule uns direkt ins Pandemonium schicken.
Entspannt euch mal!
Oder… macht so weiter.
Stresst euch selbst, stresst einfach alle und jeden und lauft zur „Höchstleistung“ auf, indem ihr euch immer mehr Wissen und Wissen in euer Kurzzeitgedächtnis presst, bis es an allen Ecken und Enden wieder rauskommt.
Natürlich nur im richtigen Moment: während der Prüfung.
Drücks dir rein, kotz es aus, so soll’s sein, so sieht’s aus!
Die für mich nächste Umgebung, in der nach dieser Art von Leistung gefragt wird, ist momentan die Uni. Dort meinte mein Dozent ironischerweise, dass Bulimielernen an der Uni nicht funktioniert und, dass dies lediglich eine für die Schule taugliche Lernart sei.
Alter Witzbold.
Das Bulimielernen ist leider unausweichlich geworden. Und Lernart ist eine derartig dreister Euphemismus, da kann man nur noch lachen. Das gleiche gilt für Auswendiglernen.
Ich stimme meinem Dozenten dabei zu, dass es wichtig ist, die Sachverhalte zu verstehen und auch, dass Auswendiglernen, jedenfalls langfristig, nichts bringt. Uns Schüler:innen und Student:innen wird dafür aber schlichtweg zu wenig Zeit gegeben. Beziehungsweise müssen wir immer ganz viele verschiedene Dinge gleichzeitig in einem guten Maße verstehen. Wahres Verständnis braucht allerdings Zeit und die hat man als Student:in vielleicht für ein Fach. Wenn aber drei oder gar vier Klausuren in einer Woche stattfinden, dann kann man nicht alle Fachbereiche ausgewogen verstehen, um sie dann in aufeinanderfolgenden Klausuren wieder von sich zu geben.
Ich denke, dass das Problem darin liegt, dass am Ende des Schuljahres oder des Semester die gesamten Inhalte gleichzeitig wieder abgefragt werden.
Wäre es nicht besser, wenn das nicht alles auf einmal, sondern zeitversetzt passieren würde?
Ich denke ja, aber mit diesem Ansatz stoßen wir auf ein weiteres Problem. Wir müssten alle Lehrveranstaltungen zeitversetzt abhalten, schließlich soll auch immer das gesamte Wissen abgefragt werden und nicht nur die erste Hälfte des Erlernten.
Allerdings verlangen Schüler:innen, Lehrer:innen, Dozenten:innen und Student:innen auch immer ihre ausgewogenen Ferien. Die finde ich natürlich auch super, denke aber auch, dass sie uns, gerade die langen Sommerferien, so stark unterbrechen, dass man im Grunde nochmals von ganz vorne beginnen muss. Und ehrlich gesagt hat darauf dann auch niemand mehr Lust.
Zusätzlich sind diese für manche Studierende auch lebensnotwendig. Denn diese erwirtschaften hier ihren Lebensunterhalt für das nächste Semester. Somit ist die Idee, so gut sie auch scheinen mag, wohl eher schwer umzusetzen.
Auswendiglernen: Spielen wir hier etwa Memory?
Vielleicht könnte aber auch die Lernkultur verändert werden?
Möglicherweise bekommt man das als Schüler:in einfach so mit, dass Bulimie- oder auch Auswendiglernen der einfachste Weg ist, sich zumindest einigermaßen gute Noten zu sichern.
Zusammen mit Kommiliton:innen und Mitschüler:innen habe ich schon sehr häufig festgestellt, dass nicht das tatsächliche Können abgefragt wird, sondern die Fähigkeit sich Dinge zu merken. Alle Prüfungen und Klausuren, die wir halten und schreiben, sind also nur aufgeblasene Vokabeltests.
Leider war ich denen auch schon immer schlecht. Das lag entweder daran, dass sie super schwer waren und mein:e Lehrer:in krasse Anforderungen an die Schüler:innen hatte oder daran, dass ich einfach nie dafür gelernt habe, weil ich das Auswendiglernen hasse.
Des Weiteren könnte ich mir so auch erklären, warum die allseits beliebten Transferaufgaben sich immer so schwer für die Prüflinge gestalten. Sie verstehen einfach die Sachverhalte nicht ausreichend und können durch das Auswendiglernen ihr „Wissen“ nicht transferieren.
Ist dann vielleicht ein System ohne Noten, wie es die „Walldorfschulen“ predigen, besser?
Kann ich mich nicht so recht mit anfreunden.
Die Walldorfschulen haben den Ruf Schüler:innen schlechter auszubilden und unwissenschaftlichen Themen zu unterrichten. Ich selber kann da nicht aus Erfahrung sprechen. Ich kenne auch niemanden, der auf einer Walldorfschule war. Obwohl sich dieses pädagogische Konzept eigentlich immer ganz fortschrittlich anhört, werden die Schüler:innen dort vielleicht dennoch abgehängt, weil es an der Uni dann wieder ein ganz anderes System gibt, in welches man sich erst wieder einfinden muss.
Dort geht es hauptsächlich wieder um Leistung.
Und um das Auswendiglernen natürlich.
Unter Druck entstehen Diamanten!
Ich denke ganz essentiell und wichtig in unserer Gesellschaft ist, dass wir vielleicht einmal den Druck, der auf uns allen lastet, ein wenig reduzieren. Denn wir müssen uns auch alle eingestehen, dass in kurzer Zeit meist nur das Notwendigste entsteht, nicht aber das Beste.
Es ist auch ein wenig übertrieben, die Schüler:innen in das G8 System zu stecken, nur damit sie dann mit 17-18 Jahren studieren gehen können, um dann mit 20-21 schon fertig mit dem Bachelor zu sein.
Und dann?
Master?
Und dann? 40-50 Jahre arbeiten, Rente, Tod. #livingthebadlife
Ich denke, dass es auch wichtig ist Lebenserfahrung zu sammeln, die nicht ausschließlich aber doch schon sehr gut über das Alter definiert werden kann. Um diese zu sammeln und sich nicht durch den Ausbildungsturbo durchzuzwängen, sollte man das Ganze vielleicht etwas entschleunigen. Natürlich ist uns das allen nicht im gleichen Maße möglich, da vielleicht einige arbeiten müssen und andere nicht, aber ich denke, dass es von Vorteil sein kann, wenn wir uns nicht mit unnötigem Druck stressen, dass vielleicht ein:e ehemalige:r Mitschüler:in schon fertig mit dem Studium ist, man selbst aber erst begonnen hat.
Vielleicht ist die Person zwar fertig, aber nicht glücklich mit dem was sie studiert hat, man selber hat sich dann aber die Zeit genommen und hat das Richtige gefunden. Ich denke bei der Wahl des richtigen Studienfachs haben manche Leute auch einfach mehr Glück als andere. Jedoch ist es um Längen besser das Richtige nach längerer Suche gefunden, als einfach irgendetwas unter größter Anstrengung und Leid in einer ungeheuren Geschwindigkeit durchgezogen zu haben.
So und jetzt wieder zurück ans (Auswendig-)Lernen und viel Spaß dabei….
und nicht vergessen
bleib auf UMWEGN!
„Running“ Photo by Steven Lelham
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